Gestern noch Rasen, heute schon Kohle: Ein neues Verfahren
wandelt Grünabfälle wie Gras oder Laub über Nacht in Brennstoff um. Die
braunen Pillen könnten herkömmliche Kraftwerke antreiben - und Strom für
2,5 Millionen Haushalte in Deutschland liefern.
Die Natur braucht viele Millionen Jahre, um aus Biomasse Kohle zu machen. In einem Industriegebiet in Ludwigsfelde bei Berlin geht es schneller: Dort steht eine Art Schnellkochtopf, der Pflanzenreste binnen drei Stunden in Kohle verwandelt. "Die Biokohle hat fast die gleichen Eigenschaften wie Braunkohle - mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie CO2-neutral ist", erklärt Friedrich von Ploetz, Geschäftsführer des Unternehmens Suncoal, das die Anlage entwickelt hat.
Die sogenannte Karbonisierung könnte dazu beitragen, den Ruf der Bioenergie aufzupolieren. Deren Image hat gelitten,
seit immer mehr Strom und Wärme aus Pflanzen erzeugt wird. Kritiker
machen Biogasanlagen dafür verantwortlich, dass die Zahl der Maisfelder immens zugenommen hat.
Dazu kommt die ethische Debatte: Ist es gerechtfertigt,
Energierohstoffe anzubauen, wenn man auf den Äckern genauso gut
Lebensmittel produzieren könnte? Und auch der Bau neuer
Biomasse-Kraftwerke ist umstritten, weil dies nach Meinung mancher
Experten auf lange Sicht zu einem Holzmangel führen könnte.
Mit Verfahren wie dem von Suncoal soll Energie aus organischen
Reststoffen wie Gras, Laub oder Rasenschnitt gewonnen werden. Solche
Grünabfälle sind feucht, sie lassen sich bislang kaum zu Biogas vergären
und schon gar nicht in Kraftwerkskesseln verbrennen. Deshalb landen sie
meist in Kompostieranlagen. Die Energie, die in ihnen steckt, bleibt
also ungenutzt.
Schwarzer Brei
"Die Karbonisierung ist ein technisch sehr robustes Verfahren", sagt Andrea Kruse, Energieforscherin am Karlsruher Institut für Technologie KIT. Man könne alles Pflanzliche in die Anlage stecken. Auch Rückstände der Lebensmittelproduktion ließen sich auf diese Weise als Energiequelle nutzen.
Wie funktioniert das Verfahren? Zunächst muss das Wasser raus: Gräser und Laub werden bei rund 200 Grad unter einem Druck von 20 Bar gesetzt, also dem zwanzigfachen Luftdruck auf Meereshöhe. Dabei wird das im Ausgangsmaterial enthaltene Wasser zu einem großen Teil in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten und abgetrennt. Übrig bleibt ein schwarzer Brei, der fast den gesamten Kohlenstoff des Ausgangsmaterials enthält.
Um aus dem Brei Kohle zu machen, kommt er zur weiteren Entwässerung in eine Presse und wird anschließend auch noch mit Hitze getrocknet. "Für den Prozess brauchen wir etwa 10 bis 15 Prozent des Energiegehalts der Endprodukte", erklärt von Ploetz. Die Ludwigsfelder Pilotanlage kann bis zu 200 Kilogramm Gras und Grünschnitt pro Stunde verwerten. Daraus werden 60 bis 70 Kilogramm Biokohle-Pillen.
Suncoal ist nicht das einzige Unternehmen, das sich auf dieses Verfahren spezialisiert hat. Die Schweizer Firma AVA-CO2 zum Beispiel produziert in Karlsruhe Biokohle, Eurosolid hat vor wenigen Wochen eine Anlage in Vorpommern in Betrieb genommen.
Kosten müssen sinken
Das technisch und ökologisch sinnvoll nutzbare Potential der Technologie ist riesig. Das staatliche Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut hat ausgerechnet, dass sich allein in Deutschland jährlich fast vier Millionen Tonnen Kohlenstoff aus den organischen Reststoffen gewinnen ließen. Verarbeitet zu Biokohle, könnten Kraftwerksbetreiber mit dem Brennstoff Strom für 2,5 Millionen Haushalte erzeugen.
Doch dazu müssten die Kosten sinken. "Die Karbonisierung ist momentan noch teuer, keine Frage. Mit Braunkohle aus Ostdeutschland werden die Hersteller in den nächsten Jahren nicht konkurrieren können", sagt KIT-Forscherin Kruse. Die Technologie dürfte aber günstiger werden, meint die Expertin: "Wenn man neue Verfahren entwickelt, kosten die Anlagen anfangs noch sehr viel Geld. Doch mit jeder neu errichteten Anlage sinken die Preise." Und auch die Entwicklung des Kohle-Weltmarktpreises hat Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit: Je teurer konventionelle Kohle wird, desto schneller lohnt sich der Einsatz von Biokohle.
Ein anderes, technisch etwas einfacheres Verfahren für die energetische Nutzung von Gras, Laub und Schnittgut hat die Bundeswehr-Universität München entwickelt. Im Osten der bayerischen Landeshauptstadt betreiben die Forscher zusammen mit der Firma Florafuel eine Pilotanlage, die aus feuchter Biomasse holzartige Pellets oder Briketts herstellt. Dazu werden die Grünabfälle gereinigt, zerkleinert, gepresst und getrocknet. Die beim Pressen abgeschiedene Flüssigkeit wird aufgefangen und in Biogasanlagen eingesetzt, wo sie den Ertrag erhöht.
"Der Heizwert unseres Brennstoffs liegt nur fünf bis sieben Prozent unter dem von Holz", erklärt Projektleiterin Swantje Schlederer. Die Pellets und Briketts können damit problemlos in bestehenden Biomasse-Kraftwerken verfeuert werden. Allerdings verschlingt das Pressen und Trocknen fast ein Drittel der Energiemenge, die in den so produzierten Brennstoffen steckt. Die Projektpartner sind zurzeit in Gesprächen mit Abfallwirtschaftsbetrieben, um die Technologie weiter zu erproben.
.spiegel.de
5/1/13
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ΣΧΕΤΙΚΟ - ΒΙΟΑΕΡΙΟ:
Die Natur braucht viele Millionen Jahre, um aus Biomasse Kohle zu machen. In einem Industriegebiet in Ludwigsfelde bei Berlin geht es schneller: Dort steht eine Art Schnellkochtopf, der Pflanzenreste binnen drei Stunden in Kohle verwandelt. "Die Biokohle hat fast die gleichen Eigenschaften wie Braunkohle - mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie CO2-neutral ist", erklärt Friedrich von Ploetz, Geschäftsführer des Unternehmens Suncoal, das die Anlage entwickelt hat.
Schwarzer Brei
"Die Karbonisierung ist ein technisch sehr robustes Verfahren", sagt Andrea Kruse, Energieforscherin am Karlsruher Institut für Technologie KIT. Man könne alles Pflanzliche in die Anlage stecken. Auch Rückstände der Lebensmittelproduktion ließen sich auf diese Weise als Energiequelle nutzen.
Wie funktioniert das Verfahren? Zunächst muss das Wasser raus: Gräser und Laub werden bei rund 200 Grad unter einem Druck von 20 Bar gesetzt, also dem zwanzigfachen Luftdruck auf Meereshöhe. Dabei wird das im Ausgangsmaterial enthaltene Wasser zu einem großen Teil in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten und abgetrennt. Übrig bleibt ein schwarzer Brei, der fast den gesamten Kohlenstoff des Ausgangsmaterials enthält.
Um aus dem Brei Kohle zu machen, kommt er zur weiteren Entwässerung in eine Presse und wird anschließend auch noch mit Hitze getrocknet. "Für den Prozess brauchen wir etwa 10 bis 15 Prozent des Energiegehalts der Endprodukte", erklärt von Ploetz. Die Ludwigsfelder Pilotanlage kann bis zu 200 Kilogramm Gras und Grünschnitt pro Stunde verwerten. Daraus werden 60 bis 70 Kilogramm Biokohle-Pillen.
Suncoal ist nicht das einzige Unternehmen, das sich auf dieses Verfahren spezialisiert hat. Die Schweizer Firma AVA-CO2 zum Beispiel produziert in Karlsruhe Biokohle, Eurosolid hat vor wenigen Wochen eine Anlage in Vorpommern in Betrieb genommen.
Kosten müssen sinken
Das technisch und ökologisch sinnvoll nutzbare Potential der Technologie ist riesig. Das staatliche Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut hat ausgerechnet, dass sich allein in Deutschland jährlich fast vier Millionen Tonnen Kohlenstoff aus den organischen Reststoffen gewinnen ließen. Verarbeitet zu Biokohle, könnten Kraftwerksbetreiber mit dem Brennstoff Strom für 2,5 Millionen Haushalte erzeugen.
Doch dazu müssten die Kosten sinken. "Die Karbonisierung ist momentan noch teuer, keine Frage. Mit Braunkohle aus Ostdeutschland werden die Hersteller in den nächsten Jahren nicht konkurrieren können", sagt KIT-Forscherin Kruse. Die Technologie dürfte aber günstiger werden, meint die Expertin: "Wenn man neue Verfahren entwickelt, kosten die Anlagen anfangs noch sehr viel Geld. Doch mit jeder neu errichteten Anlage sinken die Preise." Und auch die Entwicklung des Kohle-Weltmarktpreises hat Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit: Je teurer konventionelle Kohle wird, desto schneller lohnt sich der Einsatz von Biokohle.
Ein anderes, technisch etwas einfacheres Verfahren für die energetische Nutzung von Gras, Laub und Schnittgut hat die Bundeswehr-Universität München entwickelt. Im Osten der bayerischen Landeshauptstadt betreiben die Forscher zusammen mit der Firma Florafuel eine Pilotanlage, die aus feuchter Biomasse holzartige Pellets oder Briketts herstellt. Dazu werden die Grünabfälle gereinigt, zerkleinert, gepresst und getrocknet. Die beim Pressen abgeschiedene Flüssigkeit wird aufgefangen und in Biogasanlagen eingesetzt, wo sie den Ertrag erhöht.
"Der Heizwert unseres Brennstoffs liegt nur fünf bis sieben Prozent unter dem von Holz", erklärt Projektleiterin Swantje Schlederer. Die Pellets und Briketts können damit problemlos in bestehenden Biomasse-Kraftwerken verfeuert werden. Allerdings verschlingt das Pressen und Trocknen fast ein Drittel der Energiemenge, die in den so produzierten Brennstoffen steckt. Die Projektpartner sind zurzeit in Gesprächen mit Abfallwirtschaftsbetrieben, um die Technologie weiter zu erproben.
.spiegel.de
5/1/13
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